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Im letzten Jahr habe ich von meiner Nachbarin ein Saxophon geliehen bekommen um mich zu motivieren, dieses Instrument zu lernen. Das konnte ich nicht ausschlagen, also habe ich angefangen zu tröten.
Beim Sax stellen sich Erfolge zum Glück recht schnell ein und so blieb ich motiviert.
Für alle anderen ist das
aber eher eine Geduldsprobe: Das Ding ist unglaublich laut und ich noch ein Anfänger,
der froh über jeden geglückten Ton ist und bewundernd auf Profis schaut,
die das Ding auch leise spielen können.
Das Stören Anderer hat mich oft
davon abgehalten zu spielen. Meist habe ich spät Abends oder früh morgens Lust
auf das Instrument. Dann mag ich es aber nicht auspacken und die Wände zum Dröhnen
zu bringen. Das Sax muss also erheblich leiser werden.
Das Sax mit einem Dämpfer im Schallbecher ruhig zu stellen kann nicht funktionieren,
da das Geräusch auch aus den vielen Löchern kommt. Trotzdem werden im Internet
diverse Einsätze für den Schallbecher angeboten und von verzweifelten Musikern
gekauft, die dann von den Dämpfungsergebnissen doch irgendwie enttäuscht
sind.
Eine schallisolierte Spielkabine ist mir erstmal viel zu aufwändig.
Wäre Saxophon spielen
mein einzigens Hobby, könnte
ich meine Werkstatt umbauen. Aber das wird mit ziemlicher Sicherheit nicht passsieren!
Beim Saxophon wird mit dem Schwingen des Blättchens eine Folge von Druckstößen erzeugt. Dabei ergibt sich eine schwingende Luftsäule, die bei einer ganz bestimmten Frequenz in Resonanz ist. Je nach Klappenstellung ist die Säule länger oder kürzer. Das bestimmt dann den zu hörenden Ton. Zumindest stelle ich mir das so vor.
Wenn ich die Pulse nun mit deutlich weniger Energie erzeuge, müsste das Sax ja leiser werden. Oder ich erzeuge alle möglichen Töne auf einmal (nennt sich Rauschen). Und messe dann, welche Frequenz besonders heraussticht (die Resonanzfrequenz).
Also habe ich ein Mundstück mit einem Lautsprecher statt einem Blättchen gebaut.
Ein programmierbarer Funktionsgenerator diente als Signalquelle, ein Spektrum-Analyser auf dem Handy als Analyser.
Das Tolle daran ist: ich muss am Sax selber nix umbauen. Anderes Mundstück drauf und Sensor-Mikrofon in den Schalltrichter werfen - fertig.
Ich habe dann einzelne Rechteckpulse erzeugt. Da konnte man Klappenstellungen in etwa erahnen. Bei schneller Pulsfolge wurde das schwammiger - also unbrauchbar. So 10 Töne pro Sekunde müssen schon erkennbar sein.
Mit dem Rauschen
war das nicht besser. Egal welche Rauschform ich verwendet habe - es war
keine signifikante Linie im Spektrum erkennbar. Also taugt das auch nix. Eventuell
ist meine Theorie, wie ein Sax funktionieren könnte, auch völlig
falsch.
Ich habe dann noch unzählige Signalformen von Dirac-Puls
über Sägezahn bis zu asymmetrischen Sinus-Pulsen ausprobiert.
Alles Mist.
Wenn ich an jede Klappe des Saxophons einen Sensor mache, dann könnte
ich stumm erfassen, welcher Ton erklingen soll. Damit kann ich
zwar die Mundakrobatik nicht trainieren, aber dafür das Spiel der Finger perfektionieren.
Als Tonausgabe dient ein kleiner Lautsprecher der nur ganz leise Töne in Mikrowellen-Soundqualität
von sich gibt (Piep!) sowie eine MIDI-Buchse, an die ich einen Synthesizer für besseren
Sound anschließen kann.
Um Töne mit dem Mund ein- und auszuschalten dient ein
selbstkonstruiertes Mundstück mit einem
Atemdruck Sensor. Reinpusten: Ton
erklingt gemäß Klappenstellung. Nicht pusten: Ruhe.
Und das habe ich mir dann auch gebaut!
Das geliehene Sax kommt für den Umbau nicht in Frage.
Ich habe
mich umgehört, ob irgendwer ein defektes Sax rumliegen hat und bin bei
einer Instrumentenbauerin fündig geworden: Sie hatte ein fast neues Saxophon,
das sich als unspielbar entpuppt hatte. Jedenfalls war es ihr und ihrem Kollegen
nicht gelungen, das Ding spielbereit zu bekommen.
Das war ja genau
das Richtige für mich: ein nagelneu aussehendes Sax, durch das niemals ein
Atemzug gehen wird! Das hat dann für etwas
mehr als den reinen Materialwert den Besitzer
gewechselt.
Das Ding ist wirklich unglaublich billig gemacht: Sieht aus wie ein Saxophon, ist aber keines. Die Achsen knarzen fast alle beim Bewegen (obwohl 1a geschmiert), keine Klappe schließt richtig und unter den Klappen sieht man, wie der billige Gold-Lack schon an vielen Stellen abgeplatzt ist und schwarzes (?) Metall zum Vorschein kommt. Ich habe an dem Instrument 24 Klappen gezählt. Daraufhin habe ich 50 Hall-Sensoren und 50 winzige Magnete gekauft. Warum die doppelte Menge? Weil immer was schief läuft!
Die dreibeinigen Hallsensoren brauchen 5V und Masse und schalten das dritten Bein
gegen Masse, sobald ein anliegendes
Magnetfeld eine gewisse Stärke
überschreitet (nennt sich NPN-Ausgang). Damit kriege ich raus, ob eine Klappe offen oder
zu ist.
Dazu kam ein Board mit vier 74HC165 Chips (8 parallel inputs, I2C output), PullUp an jedem Eingang. Das Board wurde von einem deutschen Bastler für 7€ angeboten, ist aktuell aber nicht verfügbar (Suche nach 32b-shift-register-spi-button-module-4x-74hc165). Wer das Nachbauen will: es tun auch 3 Module mit jeweils einem 74HC165. Die werden einfach in Reihe geschaltet. Solche Module habe ich bei eBay für unter 2€/Stück gesehen. Dazu kommen ein paar Bauteile, die ich aus der Schublade gezogen habe: ein Arduino Nano, ein Stück Lochrasterplatine, eine 5-polige DIN-Buchse und ein kleiner Lautsprecher aus einem Monitor. Anfangs hatte ich einen Piezo-Lautsprecher benutzt, der war aber fast unhörbar (ich habe ja nur 5V Spannung).
Außerdem ein kleiner analoger Drucksensor mit eingebauter
Meßelektronik.
Wer die Kosten dafür scheut (ca. 30€ in Fernost; bei mir lag das teure Ding halt rum): Ein billiger Drucksensor ohne Elektronik tut's auch. Dann muss man halt noch ein HX711 Board (Load-Cell Amplifier, ca.2€) als Meßverstärker dazwischen schalten. Solche Sensoren gibt es in Fernost für ca. 2€ (Suche nach "MPS20N0040D-D") - auf Wunsch auch gleich mit HX710 Meßverstärker (Suche: "MPS20N0040D-S HX710B 24-bit ADC").
An jede Klappe habe ich einen Magneten geklebt.
Und in die Nähe dazu jeweils einen Hall-Sensor.
Anfangs mit Heißkleber. Der hielt aber nicht besonders auf dem Metall. Ich musste daher immer mal wieder einen Magneten oder einen Sensor festkleben. Das habe ich dann mit 5-Minuten Epoxy gemacht (Den Heißkleber am Magneten gelassen und Harz zwischen Metall und Heißkleber geschmiert).
Die Verkabelung: +5V und GND werden von Sensor zu Sensor durchgereicht (rote und schwarze Kabel).
Für die Signalleitungen habe ich 8 verschiedene Farben benutzt, so dass jede Farbe nur 3x vorkommt. So habe ich eine Chance, einen bestimmten Sensor zu finden. Die Sensorleitungen habe ich undokumentiert wild an das 74HC165 Board angeschlossen, das zusammen mit der anderen Elektronik auf einem selbstgedruckten Board montiert ist.
Stück für Stück kamen die Sensoren dran. Nach und nach an irgendeinen der ersten 24 Ports der 74HC165 Platine angeschlossen.
Ich habe sowieso keine Ahnung, welche Klappenkombination welchen Ton erzeugt. Daher muss ich die Töne später anlernen .
Als Spannungsversorgung dient eine kleine Powerbank, die ich über USB-Kabel an den Arduino-Nano anschließe und im Schallbecher versenke.
Das Mundstück habe ich mit dem 3D-Drucker aus PET-G gefertigt. Es hat ein paar Anläufe gebraucht, bis ich mit Form und Funktion zufrieden war.
Letztendlich bin ich bei dieser Version gelandet:
Schnittzeichnung:
Das nun benutzte Mundstück hat im inneren einen dünnen
Luftkanal (4mm), der vorn an der Unterseite in Querrichtung auf 2mm verjüngt
beginnt. Er kommt in der Mitte an der Unterseite und an der Oberseite heraus, wobei
oben der Drucksensor eingesteckt ist.
Die Ausblasöffnung ist nun so gestaltet, dass
ich mir nicht mehr selber ins Gesicht puste. Das Eingangsloch ist so platziert, dass
ich es bequem mit der Zunge verschließen kann. So muss ich schnelle Luftstöße
nicht mit der Lunge machen.
Das Mundstück sitzt ganz normal auf dem S-Bogen, ist gegenüber
diesem aber dicht, so dass keine Atemluft ins Saxophon kommt. Ja, ein Alt-Sax hat keinen
S-förmigen Bogen. Aber es ist hoffentlich klar, was gemeint ist:
Daher muss das Sax auch fast nie geputzt werden. Kein Sabber läuft rein und klebrige Atemluft verkleistert mir nicht die Klappen. Das Mundstück wird nach dem Üben einfach einmal abgewischt. Fertig.
Die Software hat 2 Betriebsarten: Anlernen und Spielen. Zum Spielen muss ein Jumper gesetzt sein. Im Anlernen Modus gibt der Arduino über die serielle Schnittstelle das von den Hallsensoren erzeugte Bitmuster und den gemessenen Atemdruck aus. Ich habe dann einfach eine Tonleiter gespielt und mir das Bitmuster für jeden Ton notiert. Dazu dann die alternativen Griffmöglichkeiten für den gleichen Ton (z.B. das Seiten-C).
Danach wurden diese Werte zusammen mit der entsprechenden Midi-Note in eine Tabelle in der Software eingetragen.
Im Spielen-Modus wird das aktuell anstehende Bitmuster in der Tabelle gesucht. Ein Eintrag darin sieht z.B. für das hohe C so aus:
---------------------------------------------------------------------- case 0xfff00197: note = 72; break; // c'' ----------------------------------------------------------------------
Wird das Muster gefunden und ist außerdem der Atemdruck hoch genug, so wird ein NoteON für die gefundene Note auf der MIDI Buchse und dem internen Tongenerator ausgegeben. Fällt der Atemdruck unter eine bestimmte Schwelle, so wird der Tongenerator abgeschaltet und ein MIDI Kommando NoteOFF sowie das Controll-Kommando AllOff gesendet.
Später habe ich noch einen Effekt hinzugefügt: Wenn ich kräftig in das Mundstück blase, wird ab einem bestimmten Druck ein Bending Kommando gesendet. Damit kann ich Töne stufenlos herunterziehen (iiiuuuuuu) - allerdings bisher nur auf einem Midi Synthesizer.
Da ich den Zustand des Akkus im Schalltrichter schlecht sehen kann, habe ich noch ein einfaches Voltmeter angebaut:
Gesamtansicht:
Mit dem Instrument kann ich prima meine Finger trainieren und jederzeit musizieren ohne jemanden zu stören.
Im Gegensatz zu einem echten Sax verzeiht dieses keine Fehler im Fingersatz:
Wenn ich schlampig vom H zum C (ohne Seiten-C zu benutzen) wechsle, ist recht deutlich ein A oder Cis beim
Übergang zu hören. So ein direktes Feedback finde ich hilfreich.
Und nicht vorgesehene Klappenstellungen werden hart mit Stille geahndet.
Tolle Effekte und Tricksereien kann ich auf dem echten Sax zusammen mit der Mundakrobatik üben (Stichwort "Slap Technik").
Auf dem stillen Sax ist die Mundspannung völlig egal. Daher habe ich - nur zum Muskeltraining - einen Schalldämpfer für ein echtes Mundstück konstruiert. Einfach nach dem Vorbild eines Pistolen-Schalldämpfers. Das hat gar nicht funktioniert. Entweder es kam kein Ton zustande oder es war ähnlich laut wie ohne Dämpfer.
Nachdem ich ein paar Varianten ausprobiert hatte, ärgerten mich die ewig langen Druckzeiten.
Also habe ich einen modularen Aufbau konstruiert, bei dem ich einzelne Teile ersetzen kann. Dazu waren halt Flansche mit vielen Schrauben nötig.
Nun konnte ich einzelne Teile ersetzen ohne immer alles zu drucken. Und die Gesamtlänge konnte ich aus einzelnen Teilen kombinieren.
Erkenntniss: um die Luftsäule zum Schwingen zu bringen ist wohl ein gewisser Anteil an Reflektion unbedingt erforderlich.
Nach und nach habe ich über viele Versuche nun einen Dämpfer hin bekommen, der halbwegs spielbar ist.
Querschnitt:
Mit aufgesetztem Mundstück:
Damit spiele ich sogenannte Longnotes.
Das heißt, einen Ton für z.B. 10 Sekunden lang gleichmäßig erklingen zu lassen. Wenn ich mal ein paar Wochen nicht gespielt habe, merke ich deutlich, wie schlecht dann das Halten des Tones funktioniert.
Der Dämpfer ist immer noch ordentlich laut (nix für 3 Uhr nachts), aber deutlich leiser als nur das Mundstück oder gar das Mundstück am Saxophon.
Die Software für den Arduino und die diversen 3D-Druckobjekte gibt's hier:
176midisax.zip
Allerdings könnt ihr die Case-Anweisungen nicht übernehmen.
Die muss durch Anlernen an eure Verdrahtung angepasst werden.
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Aber der Seitenquelltext (strg-U) sieht auch interessant aus, zumindest wenn man ihn mit einem Monospace Font in sehr kleiner Schriftgröße betrachtet.