Mein Schwiegerfreund (Freund meiner Tochter) hat sich vor 'nem halben Jahr eine exotische Karre vom Typ Chevrolet Aveo Limousine andrehen lassen und die am Morgen des Nikolaustags nach einer scharfen Kurve unkontrolliert auf der Fahrerseite statt auf den Rädern abgestellt. Dabei gibt's bei uns gar keine Elche.
Als ich mit meiner Tochter am Unfallort eintraf, half die Polizei ihm grade
dabei, oben aus der Beifahrertür zu klettern.
Ihm selber war zum Glück nix passiert.
Die umherliegenden Teile haben wir eingesammelt.
Während die Polizei ein längeres Gespräch mit dem Fahrkünstler hatte, habe
ich mir das Auto mal näher angesehen.
Aus dem Auto liefen keine Flüssigkeiten
aus. Es lag halt nur in stabiler Seitenlage.
Als es hell wurde hat der ADAC die Karre mit der Seilwinde wieder zurückgekippt
Aufgeladen und zum Freundlichen gekarrt.
Der hat sich das Wrack angesehen und den Wert von über 7000€ (vor 6 Monaten) auf nun 300€ gesenkt - unter der Bedingung, dass man dafür bei ihm einen Wagen kauft.
Das Angebot war nicht das, was sich der junge Fahrer vorgestellt
hatte. Und auch ich fand das nicht so richtig attraktiv.
Genauer gesagt: Das war eine Katastrophe!
Die Sorge, dass er nun wohl in seiner
Versicherung hochgestuft würde
konnte ich zumindest zerstreuen: Du wirst nicht hochgestuft,
denn das zahlt die Teilkasko gar nicht!
Ich fand, der Wagen sah gar nicht so schlimm aus.
Also habe ich einen Autoanhänger besorgt und das Teil in meine Firma transportiert. Mein Chef restauriert als Hobby Oldtimer und hat einiges an Infrastruktur zur Autoreparatur zur Verfügung, das ich freundlicherweise nutzen konnte.
Wenn die Karrosserie nicht verzogen ist, sollte man das Ding doch wieder flott kriegen!
Als Erstes kam der Dreckhaufen auf die Hebebühne und wurde vermessen. Das sah vielversprechend aus: Nur im Vorderwagen war eine ganz leicht Deformierung im Blech. Ansonsten hatte es hauptsächlich die Türen getroffen.
Allerdings war einiges von den Kunststoffteilen hinüber.
Auch innen war einiges abgerissen: Scheinwerfer, Resonanzkasten und eine Halterung vom Luftfilterkasten.
Eine Umfrage
bei rund 30 Schrottplätzen (Selbst bei den Ludolfs
haben wir angerufen) war
ernüchternd: So eine Karre kommt auf jeden Fall in die Schrottpresse. Sowas hebt keiner
auf!
Also gab es keine billige Ersatzteilquelle und es mußte möglichst viel selbst
repariert werden.
Nur zwei Dinge haben wir einer Fachwerkstatt überlassen: Die Reifen wieder in Ordnung bringen (abziehen, Ackerboden entfernen, aufziehen und neu auswuchten) und die Scheinwerfer neu einstellen.
Ich erspare euch die
langweiligen Details von verbogenen Halterungen, abgerissenen Schraubenhalterungen,
total unzugänglichen Stellen und laienhaften Mißgeschicken. Aber es gab etliche
davon!
Mit Forumshilfe habe ich als erstes Großprojekt die Fondtür ausgebaut. Etwas schwierig war es, die Verkleidung zu entfernen. Hier musste man ansetzen:
Leider kam man auch ohne Verkleidung nicht zum ausbeulen von innen dran.
Also Mut bewiesen (kaputt isser ja schon) und angezeichnet, was stört:
Und das rausgeflext
Jetzt verhinderte ein weiteres Blech den Zugang im oberen Bereich. Das musste aber drin bleiben.
Also wurde in die Beule ein Stahldraht aufgeschweißt und mit dem Gleithammer versucht, das Blech rauszuziehen
Das ging nur mühsam und erforderte einige Drähte.
Staunend konnte ich dannach zusehen, wie mein Chef die großflächige Beule im unteren Bereich nach und nach rausklopfte. Unglaublich, wieviele verschiedene Hämmer man dafür in die Hand nimmt:
Trotz stundenlangem Hämmern war die Beule aber nicht weg zu bekommen.
Von Insidern erfuhren wir dann, dass man die modernen Bleche leider nicht mehr so treiben kann wie bei den Oldtimern. Die sind nicht mehr so schön weich!
Beim Ausbeulen bildeten sich Knackfrösche, die durch Wärmebehandlung rausgezogen wurden:
Danach sah die Tür aus, als wäre der Wagen in eine Schießerei geraten.
Das rausgeflexte Blech wurde Punkt für Punkt wieder eingebaut
Reine Fleißarbeit:
Die anschließend mit Montagekleber versiegelt wurde, um die darauf liegende Folie zu schützen
Die Fahrertür sah nicht so schlimm aus und ich habe mir die Arbeit gespart, das Ding
auszubauen.
Um die Beulen rauszuziehen habe ich eine ca.1m lange Zugvorrichtung
gebaut:
Die Idee war, M12 Unterlegscheiben (unverzinkte!) senkrecht auf die Tür aufzuschweißen und dann mit der Zugvorrichtung die Beulen rauszuziehen. Also hat die Zugstange vorne einen Haken:
Das Ding hält man an den beiden Alustangen wie eine Heckenschere. Der braune Balken wird mit Gummiklötzen gegen die Tür gedrückt, der Haken in eine aufgeschweißte Unterlegscheibe eingehakt und dann drückt man vorsichtig die Hebel zusammen und zieht damit kräftig an der Unterlegscheibe.
Da man für diese Aktion jede
freie Hand brauchen kann (Klötze halten, Haken einhaken, Mutter auf der
Gewindestange justieren), hat leider niemand Fotos gemacht. Das rausziehen ging
damit aber erstaunlich gut.
Hier sieht man, wo die Scheiben aufgeschweißt
waren:
Und so wurden sie entfernt:
Natürlich immer mit ordentlicher Schutzbrille
Unter spachteln gehen hatten die Jugendlichen bisher was ganz anderes verstanden. Ich fand jedoch, das sie es selbst so schön machen sollten, wie sie es nachher haben wollen.
Nach mehreren Ausflügen zum spachteln und schleifen waren die allerdings ziemlich gefrustet. Das wird sowieso nicht perfekt, also können wir doch auch einfach aufhören!
Ich fand das etwas verfrüht aufgegeben, aber egal. Vielleicht ist Mondlandschaft als Design ja der Brüller ?!?
Die Fondtür habe ich in meinem Lackierzelt im Keller grundiert (Sprühdose).
Die
sah gar nicht schlecht
aus, so in mattgrau.
Aber die Besitzer wollten dann doch lieber die original Wagenfarbe. Meine Warnung, der
Metalliclack würde gnadenlos jede Unebenheit deutlich hervorheben blieb unberücksichtigt.
Da ihnen 2K Lack aber zu teuer war und die Tür sowieso total verbeult aussehen
würde, haben sie mir einen Satz Spraydosen besorgt, mit dem ich nun eine amtliche
Metalliclackierung zaubern sollte. Also blieb meine gute JetStream I (K350-M) Spritzpistole
im Karton. Dafür dass ich den Dosenschüttlersamba tanzen durfte (3-5 Minuten schütteln
jeder vorgewärmten Dose), konnte ich mir wenigstens das Pistolenreinigen sparen.
Also habe ich versucht die auf 28° aufgeheizte Tür so gut es geht mit
dieser undefinierbaren Sprühnebelwurst aus der Dose überzujauchen.
Schön
kreuzweise erst silber und 'ne halbe Stunde später dann Klarlack.
Das Ergebnis war erwartungsgemäß unterirdisch:
Die Fahrertür wurde in einer beheizten Halle lackiert. Um möglichst viel Originalfarbe zu bewahren, hatte mein Schwiegerfreund die tolle Idee, die Tür zur Hälfte abzukleben. Das würde zwar einen fetten Rand mitten durch die Tür geben, erleichterte mir aber die Lackierung. Ist ja seine Tür...
Hier nach der Grundierung:
Gemessen an den Voraussetzungen ist die Endlackierung nahezu perfekt geworden. Zumindest an den Stellen, wo keine Beulen und kein Spachtel war.
Die Kunststoffteile am Auto sind aus PP (Polypropylen) das gerne mit Talkum versetzt wird (PP-T40). Das ist ein unpolarer Kunststoff, der sich (fast) nicht kleben läßt. Die Oberfläche ist eher wachsartig - und da hält nix drauf.
Also muss man das schweißen. Dazu habe ich mir eine Heißluftstation gekauft, bei der sich die Temperatur genau einstellen läßt. PP schmilzt bei 160°C, schweißen tut man es mit 300°C warmer Luft.
Dass es sich bei dem Kasten um ein Billigprodukt handelt, kann man als Laie schon daran erkennen, dass der Drehknopf für die Luftmenge unter der Temperaturanzeige sitzt - und der für die Temperatur unter der Luftmengenanzeige. Aber immerhin stimmt die Beschriftung und es kommt auch heiße Luft raus.
Die Stoßstange und der Radkasten wurden neu gekauft - das zu flicken hatte keinen Sinn. Damit hatte ich genügend Material, um daraus Schweißdrähte zu schneiden und damit die Risse zuzuschmieren und die Stege neu zu machen.
Nicht schön, hält aber!
Der Scheinwerfer und die Fensterscheibe wurde ersetzt, der Resonanzkasten vorerst weggelassen und duch Gaffatape simuliert. Das Ding werde ich nach und nach wieder zusammenschweißen..
Die leichte Verformung im Vorderwagen habe ich versucht mit dem Scherenwagenheber rauszudrücken, was zwar ging, aber nicht ganz perfekt gelang. Jetzt hat die Haube rechts halt ein etwas größeres Spaltmaß als links.
Die neue Stoßstange passte daher nicht richtig
und es hat Ewigkeiten gebraucht, bis das Ding dann doch irgendwie montiert war.
Und viele
unschöne Worte, von denen ich die
meisten aber schon kannte.
Am Kühlergrill mussten einige Halterungen aus Kunststoff wieder angeschweißt
werden.
Dann haben wir gemerkt, dass man den Kühlergrill
besser vor der Stoßstange montiert hätte, da man an die Schrauben nur von hinten
dran kommt.
Die Stoßstange kommt nicht nochmal ab. Neee. Ich habe zu dicke Hände, also durfte mein Schwiegerfreund nebst meiner Tochter die Schrauben reinfummeln.
Nach
rund 6 Wochen Arbeit war dann irgendwann alles montiert, lackiert und geflickt.
Und nachdem eine neue Sicherung eingesetzt war, gingen auch die neuen Nebelscheinwerfer.
Hier das Schätzchen von seiner Schokoladenseite:
Fällt eigentlich gar nicht auf, dass die Stoßstange nicht in Wagenfarbe lackiert ist, oder?
Abschließend wurden dann noch die Scheinwerfer in einer Fachwerkstatt
eingestellt - und jetzt fährt das Gerät wieder und auch der
TÜV kann nicht meckern!
Und wenn man weit genug weg geht, sieht das
Auto eigentlich relativ normal aus.
Ich hoffe, den nächsten Elchtest macht er erst, wenn er sich eine A-Klasse leisten kann.
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Aber der Seitenquelltext (strg-U) sieht auch interessant aus, zumindest wenn man ihn mit einem Monospace Font in sehr kleiner Schriftgröße betrachtet.