Nachdem in Finger's Forum viel über Heißkleber diskutiert wurde, habe ich angefangen, die Erkenntnisse mal zu sammeln. Hier sind sie nun!
Ja, wie funktioniert das eigentlich, dass meine Pistole im Gegensatz zu anderen nicht tropft? Also bin ich mal in den Keller gegangen und hab nachgeforscht...
So sieht die Pistole aus:
Jetzt muss die Pistole erstmal ordentlich heiß werden, sonst ist ja alles voll von festem Kleber. Aufgeschraubt, wobei die Gummiabdeckung leider durchgerissen ist, ergibt sich:
Im Detail: in der Spitze sind eine Feder und ein Metallring mit Kunststoffkappe:
Wie soll das funktionieren? Durch erwärmen und rumprokeln ergab sich, dass die Kunststoffkappe in Wirklichkeit eine Kugel ist!
Jetzt wird's klar: die Feder drückt die Kugel gegen den Ring und dichtet damit den Heißklebekanal zum Heizelement hin ab. Drückt man Heißkleber raus, wird erst die Kugel runtergedrückt, dann kann der Kleber durch. Lässt man den Pistolengriff los, schiebt sich die Kugel wieder hoch gegen den Ring und zieht dabei den Heißkleber in der Spitze etwas zurück. Da das Ding beim öffnen so aussah:
konnte es natürlich nicht mehr dichten.
Ich hab eben den Ring wieder in die Spitze
gepresst. Bis jetzt ist alles dicht.
Super!
Ab und zu geht Kleber daneben. Oder man reißt etwas
altes auseinander, in dem Unmengen des beliebten Stoffes stecken.
Vielleicht kann
man den ja wieder verwenden!
Um Heißkleber wieder zu verwenden, müsste man ihn in eine erwärmbare Form stopfen. Damit er da aber wieder raus kommt, muss sich die Form beim Erkalten weniger zusammenziehen. Aber wie viel ist das? Ist es mehr oder weniger als z.B. Alu?
Der thermische Ausdehnungskoeffizient wird in µm/(K*m) angegeben. Also, um wie viel Mikrometer sich ein Meter langer Stab ausdehnt, wenn man ihn um 1 Grad erhitzt.
Da ich den Koeffizienten von Heißkleber im Internet nicht gefunden habe, musste ich ihn halt ermitteln. Dazu hab ich ein paar Stangen von diesem Produkt
für eine Nacht im Gefrierschrank bei -20°C liegen lassen.
Anschließend wurde die Stange in Styrodur verpackt und noch ein paar Stunden gefroren.
Das Styrodur dient dazu, für die Zeit, die ich vom Eisfach bis zu meiner Messeinrichtung brauche, die Stange auf Temperatur zu halten.
Um den Stab beim einsetzen nicht anfassen zu müssen, ist das Styrodur nicht mittig zur Bohrung durchgeschnitten. Dadurch hält es den Stab fest.
Die Messeinrichtung besteht aus einer Messuhr, die ich ins Futter meiner Drehmaschine gespannt habe. Auf der anderen Seite befindet sich ein Bohrfutter, welches ganz zugedreht ist, so dass eine ebene Stirnfläche entsteht. Statt Drehmeißel ist ein Alu-Streifen eingespannt, welcher den Klebestab hält. Neben dem Aufbau steht ein digitales Thermometer.
So, jetzt Eisfach auf, zur Maschine laufen und den Stab einsetzen:
Das Ganze sieht dann so aus:
Im Detail:
Die Messuhr fing sofort an zu kreisen. Nach 2 Stäben hatte ich den Aufbau dann mittels Reitstockpinole so kalibriert, dass die Messuhr bei kaltem Stab bei 0 anfängt.
Nun heißt es warten. Nach ein paar Stunden bewegte sich der Zeiger nicht mehr. Das Ergebnis:
Auswertung: der
200mm Stab hat sich bei einer Temperaturdifferenz von -20..17 Grad um 1,65mm
gedehnt.
Mit Hilfe eines Tabellenbuchs und eines Taschenrechners konnte ich dann
dieses Ergebnis festhalten:
---------------------------------------------------------------------- Ausdehnungskoeffizient diverser Materialien in Mikrometer je Kelvin je Meter ================================================ Glas 8 Stahl 12 Kupfer 17 Aluminium 23 Plexiglas 80 Heißkleber 223 Highscore! ----------------------------------------------------------------------
Nun muss man bedenken, dass die Ausdehnung nicht über den gesamten Temperaturbereich linear verläuft. Aber bei dem Abstand zu Alu und Stahl spielt das wohl kaum eine Rolle!
Hm, es gibt ja verschiedene Klebestäbe mit unterschiedlicher offener Zeit. Also dürfte sich auch der Ausdehnungskoeffizient unterscheiden.
Die farbige Sorte bringt es auf nur etwa 175 µm/m/K. Dabei ist die Farbe egal.
Ein Stück Stahl
und ein etwas kürzeres Stück Alu
bestätigen die Richtigkeit des Aufbaus und des Tabellenbuchs.
Ein Alu-Klotz dient als Gussform . Dazu habe ich eine durchgehende 11mm Bohrung in irgendein altes Stück Alu gebohrt und quer dazu ein 6.5mm Loch, in welches das Heizelement meines Lötkolben passt.
Unter dem Alu-Klotz liegt eine Pertinaxplatte. Klotz und Platte werden von einer Schraubzwinge zusammengehalten.
Damit nicht zu viel Wärme verloren geht, wird das Ganze hübsch in Glaswolle verpackt.
Der Aufbau sieht dann so aus:
In das Loch oben hab ich lauter Heißkleberschnipsel geworfen und die Heizung auf 270Grad gestellt. Nach 20 Minuten hab ich die Suppe als gar definiert und die Heizung wieder abgestellt.
Da mir das Erkalten zu langsam ging, kam der Alu-Klotz unter fließend kaltes Wasser. Aber der Heißklebe-Kern ist dann nicht etwa rausgepurzelt, sondern klebte bombenfest im Klotz.
Also den Kern ausdrücken!
Das mach ich mit der Drehmaschine: Einen 10,5mm Bohrer verkehrt herum ins Drehfutter.
Dort den Alu-Klotz draufgeschoben und mit dem Reitstock (ist ja innen hohl) durch zustellen der Pinole kräftig gedrückt (Richtig: der Motor bleibt dabei aus).
Ja toll. Der Kleber ließ sich etwas zusammendrücken - aber nicht rausdrücken!
Dreckszeug...
Jetzt liegt der Klotz in der Gefriertruhe. Mal sehen, ob dem Kleber dann das Kleben vergeht!
Ausdrücken nach 12h Frost bringt nicht den gewünschten Erfolg. Also den Alu Klotz in heißes Wasser getaucht.
Nun konnte ich den Stab ca. 5mm schieben.
Das Ganze nochmal. Jetzt ging es 1cm. Nach dem dritten Einfrieren ließ sich der Heißklebestab nun im kalten
Zustand rausdrücken.
Hier der eiskalte neugeborene Heißklebestab:
Im inneren sind noch einige Luftblasen, aber der Stab scheint durchaus brauchbar!
Das Ende werde ich wohl abschneiden müssen. Dort sind diverse Verunreinigungen - unter anderem Alu-Schabe-Reste vom gewaltsamen Ausdrücken - vorhanden, die den Kleber nicht unbedingt besser machen.
FAZIT:
Ja, man kann Heißkleber wiederverwenden. Aber der Aufwand ist doch enorm hoch für so eine Stange.
Eventuell wird das besser, wenn man eine teilbare Form benutzt. Dazu müsste man 2 Formen bauen, jeweils neben der Mitte aufsägen
und dann plan fräsen und schleifen. Dann könnte man auch ein Trennmittel (z.B. Teflon-Spray) einbringen, bevor man den Kleber schmilzt.
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Aber der Seitenquelltext (strg-U) sieht auch interessant aus, zumindest wenn man ihn mit einem Monospace Font in sehr kleiner Schriftgröße betrachtet.